16. März 2017

UN-Tag des Wassers: Abwasser sinnvoll wiederverwerten

Frisches, klares, trinkbares Wasser aus dem Hahn – in Deutschland ist das Standard. Als Abwasser verschwindet es nach Benutzung in Küche, Bad und Toilette schnell wieder aus dem Haus. Der durchschnittliche Mitteleuropäer macht sich wohl weder über sauberes Trinkwasser noch über eine problemlose Abwasserversorgung Gedanken. In anderen Teilen der Welt aber ist beides keineswegs selbstverständlich.

Obwohl die Erde zum Großteil mit Wasser bedeckt ist, fehlt 1,2 Milliarden Menschen eine sichere Trinkwasserversorgung. Lediglich 2,6 Prozent des weltweiten Wasservorrats besteht aus Süßwasser. Von rund einem Drittel der Weltbevölkerung wird das Abwasser nicht geklärt. Viele Menschen, vor ­allem in Afrika, leiden unter Wassermangel. Im Gegenzug herrscht ­etwa in Ländern wie Deutschland ein Überschuss an Wasser.

Dennoch sollte man Wasser auch hierzulande sparsam nutzen. Trinkwasser ist in Deutschland das am strengsten kontrollierte Lebensmittel, die Maßstäbe sind sehr hoch. Gereinigtes Abwasser lässt sich nicht unmittelbar als Trinkwasser wiederverwenden – zu groß ist auch nach der Klärung der Anteil von Keimen und Spurenstoffen. Indem ­gereinigtes Abwasser aber als Betriebswasser verwendet wird, kann es helfen, Trinkwasser zu sparen.

Vom Abwasser zum Betriebswasser: Nachdem Abwasser durch die Kanäle zum Klärwerk geflossen ist, wird es in Anlagen aufbereitet und zur Reinigung von Becken verwendet. Foto: SES

Nicht zum Genuss
Betriebswasser ist sauberes Wasser, das zur Produktion in der Industrie oder zur Bewässerung in der Landwirtschaft zum Einsatz kommt. Da es nicht zum Genuss gedacht ist, sind die Vorgaben nicht so streng wie bei Trinkwasser, aber in der Landwirtschaft höher als in der Industrie.

In Ländern, in denen wenig Regen fällt, wie etwa Australien, wird gereinigtes Abwasser in aufwändigen Verfahren weiter behandelt und dann als Betriebswasser eingesetzt, um Felder und Grünanlagen zu bewässern. In Deutschland fällt in der Regel genügend ­Regen, im Raum Stuttgart sind es jährlich etwa 700 Liter pro Quadratmeter. Anders als in Australien ist landwirtschaftliche Bewässerung mit geklärtem Abwasser daher weder notwendig noch wirtschaftlich. Um Abwasser im großen Stil wiederzuverwenden, müsste man zusätzliche Rohrleitungen installieren. Für welche Zwecke eine Verwendung von Abwasser als Betriebswasser aber auch hierzulande sinnvoll sein kann, zeigt das Beispiel des städtischen Eigenbetriebes Stadtentwässerung Stuttgart (SES).

Trinkwasser sparen
Rund 80 Millionen Kubikmeter Abwasser werden jährlich in den Klärwerken der SES in Möhringen, Plieningen, Mühlhausen und Ditzingen gereinigt. Aus den Hähnen in den Sanitär-, Labor- und Aufenthaltsräumen kommt natürlich Trinkwasser, wie vorgeschrieben. Doch in einem Klärwerk braucht es Wasser zu vielen Zwecken: die ­Rechen der Anlage sind zu waschen, die Leitungen zu spülen, die Becken zu reinigen. Dafür wertvolles Trinkwasser zu verwenden, wäre nicht vereinbar mit den Umweltzielen der SES.

Warum also nicht das geklärte Wasser verwenden, das sowieso schon da ist? Jedes der vier Klärwerke der SES verfügt über ein System, gereinigtes Abwasser in einem eigenen Betriebswassernetz weiter ­aufzubereiten. Dazu gehören Filter-, Desinfektions- und Druckerhöhungsanlagen sowie ein spezielles Leitungsnetz. Das ist nicht günstig. Drei Millionen Euro kostete es im Jahr 2016, die Systeme in den Klärwerken Möhringen und Plieningen zu erneuern und auszubauen.

Doch für Stuttgart lohnt es sich – nicht nur aus Umweltgründen. In Möhringen und Plieningen zusammen kann die SES nach dem Ausbau nun  200.000 Kubikmeter Trinkwasser pro Jahr durch Betriebswasser, also gereinigtes Abwasser, ersetzen. Wollte man diese Menge Wasser als Trinkwasser kaufen, würde das 400.000 Euro kosten – jährlich. Und wenn das Betriebswasser seinen Zweck im Klärwerk erfüllt hat, wird es wieder zu Abwasser und durchläuft den Klärprozess von neuem.

Weltwassertag – darum geht’s
Der Weltwassertag der Vereinten Nationen (UN) findet seit 1993 jedes Jahr am 22. März statt. Er steht immer unter einem anderen Motto, Beispiele aus den vergangenen Jahren sind “Wasser und Arbeitsplätze”, “Wasser und Nachhaltigkeit” oder “Wasser und Energie”. 2017 lautet das Motto “Abwasser – die ungenutzte Ressource”.

Das Thema hängt zusammen mit dem sechsten Ziel der im Herbst 2015 von der Generalversammlung der UN verabschiedeten Agenda 2020: “Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleisten”. Eines der Unterziele fordert, dass Abwasser nicht einfach “entsorgt”, sondern als Ressource wahrgenommen und genutzt werden soll.

Weitere Informationen zum Weltwassertag finden Sie unter worldwaterday.org